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Amei­sen­büch­lein

Gute 200 Jah­re ist es jetzt her, als Chris­ti­an Gott­hilf Salz­mann (1744–1811) 1806 sein Amei­sen­büch­lein ver­öf­fent­lich­te. In die­sem äußert er sich dar­über, dass es zwar Bücher über die Erzie­hung von Kin­dern gäbe, aber kei­ne, die die Erzie­her selbst erzö­gen. So heißt denn sein Werk auch vollständig:

„Amei­sen­büch­lein, oder Anwei­sung zu einer ver­nünf­ti­gen Erzie­hung der Erzieher”

Vie­le der dar­in geäu­ßer­ten Gedan­ken haben mehr als 200 Jah­re spä­ter an Aktua­li­tät nichts verloren!

Ich erin­ne­re mich dar­an, dass mir C.G. Salz­mann Ende der 90er Jah­re an der Uni als einer der ers­ten Päd­ago­gen vor­ge­stellt wur­de, der im deutsch­spra­chi­gen Raum die Erzie­her zur kri­ti­schen Selbst­re­fle­xi­on ermahnte.

Ein paar Aus­zü­ge aus dem Amei­sen­büch­lein / Down­load des Buches unten:

Ich set­ze es als bekannt vor­aus, daß der Grund von den Feh­lern der Zög­lin­ge wirk­lich oft in den Erzie­hern lie­ge. … Sei auf­rich­tig gegen dich selbst und geste­he dir ein, daß du selbst an dem schuld sein KANNST, was du an dei­nen Zög­lin­gen tadelst. Sage nicht, ich bin mir doch bewußt, daß ich mei­ne Pflich­ten red­lich erfül­le. Dies kann wohl sein, aber viel­leicht ver­stehst du noch nicht recht, die Kin­der zu behandeln.

Ein durch Eigen­lie­be geblen­de­ter Mensch, der schlech­ter­dings nicht Unrecht haben will, der eher sei­ne Zög­lin­ge für Dumm­köp­fe und Böse­wich­te erklärt, als daß er an sei­ne Brust schlü­ge und sich ein­ge­stün­de, daß er gefehlt habe; er ist – zur Erzie­hung unfä­hig.”

„Es ist nicht genug, daß man etwas Gutes sagt und ver­nünf­tig han­delt, son­dern es kommt auch noch dar­auf an, wie man spricht und wie man han­delt. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

„Du emp­fiehlst z.B. den Fleiß und bist doch selbst trä­ge, … du ermahnst [die Kin­der] zur Wahr­heits­lie­be und lügst doch selbst… for­derst von dei­nen Zög­lin­gen Ver­träg­lich­keit und zankst doch mit den Per­so­nen, die mit dir in Ver­bin­dung ste­hen. Du kommst mir vor wie ein Sprach­leh­rer, der die Theo­rie der Spra­che recht gut vor­zu­tra­gen weiß, aber sie selbst feh­ler­haft spricht.”

„Wenn du den Tätig­keits­trieb dei­ner Zög­lin­ge nicht zu befrie­di­gen suchst; wenn du, um sie zu beschäf­ti­gen, ihnen nichts in die Hän­de gibst als Bücher und Federn, was lehrst du sie? Eine gan­ze Rei­he von Untu­gen­den.. Der Tätig­keits­trieb ist nun ein­mal da und ist ein wohl­tä­ti­ges Geschenk des Schöp­fers… Bücher und Federn ver­mö­gen [das Kind] nicht zu befrie­di­gen; denn zum Gebrau­che der­sel­ben gehört Nach­den­ken, wel­ches ein Geschäft der Ver­nunft ist, die bei den Kna­ben noch in der Ent­wick­lung steht; und wenn auch gleich Bücher und Federn in vie­len Fäl­len ohne Nach­den­ken kön­nen gebraucht wer­den, so ist doch der bestän­di­ge Gebrauch der­sel­ben zu ein­för­mig, als daß er Kna­ben, die Abwechs­lung lie­ben, ange­mes­sen sein soll­te. Folg­lich haben Kna­ben, die man an die Bücher und den Schreib­tisch fes­selt, Lan­ge­wei­le. Gelingt es nun bei eini­gen, daß sie sich dar­an gewöh­nen, so ist der Tätig­keits­trieb erstickt, sie wer­den faul und trä­ge; gelingt dies, wel­ches bei den meis­ten der Fall zu sein pflegt, nicht, so bricht der gehemm­te Tätig­keits­trieb durch und ver­fällt auf Aus­schwei­fun­gen… Wer hat sie die­se gelehrt? Der Erzieher.”

„Wollt ihr, mei­ne jun­gen Freun­de, euch also der Erzie­hung wid­men, so müßt ihr not­wen­dig ler­nen, den Kin­dern die prak­ti­schen Wahr­hei­ten so anschau­lich zu machen, daß sie die­sel­ben auf­neh­men, sich die Befol­gung der­sel­ben zum Gesetz machen und so ihren eige­nen Wil­len tun. Gewöhnt ihr die Kin­der bloß durch aller­lei Küns­te­lei­en euren Wil­len zu tun, so ist ihre gan­ze Mora­li­tät eine Wind­müh­le, die stil­le­steht, sobald sie von einer Anhö­he ins Tal gesetzt wird, auf wel­ches der Wind nicht wir­ken kann. Wollt ihr ihnen die Wahr­heit vor­pre­di­gen, ohne euch dar­um zu küm­mern, ob sie die­sel­be fas­sen, so erzieht ihr Kin­der, an denen, wie ihr zu sagen pflegt, Hop­fen und Malz ver­lo­ren ist, bei denen kein Zure­den, kein Ermah­nen etwas hilft…”

Der gesam­te Text ist durch die vie­len Schach­tel­sät­ze nicht so leicht zu lesen. Aber ich fin­de, es lohnt sich, das Werk von Salz­mann kri­tisch mit sei­nem eige­nen Leh­rer­ver­hal­ten zu reflektieren.

DOWNLOAD: Das voll­stän­di­ge Buch kann bei Ama­zon in einer urhe­ber­rechts­frei­en und kos­ten­lo­sen Ver­si­on für den Kind­le eBook-Rea­der her­un­ter­ge­la­den werden.

Nach­trag: Auch das Krebs­büch­lein ist lesenswert!