Die wohl bekannteste Form, um die Rechtschreibleistung von Schülern zu überprüfen, ist das altbekannte Diktat. Vorne steht der Lehrer, liest einen mehr oder minder geübten Text vor und die Schüler müssen eifrig das Gehörte zu Papier bringen.
Schauen wir in die Bildungsstandards hinein, so stellen wir fest, dass dort unter dem Begriff „Richtig schreiben” weit mehr verstanden wird, als das richtige Wiedergeben eines beliebigen, geübten Textes. So heißt es auf Seite 10f:
- geübte, rechtschreibwichtige Wörter normgerecht schreiben,
- Rechtschreibstrategien verwenden: Mitsprechen, Ableiten, Einprägen,
- Zeichensetzung beachten: Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen, Zeichen bei wörtlicher Rede
- über Fehlersensibilität und Rechtschreibgespür verfügen,
- Rechtschreibhilfen verwenden: Wörterbuch nutzen, Rechtschreibhilfen des Computers kritisch nutzen,
- Arbeitstechniken nutzen: methodisch sinnvoll abschreiben, Übungsformen selbstständig nutzen, Texte auf orthographische Richtigkeit überprüfen und korrigieren.
Wenn ich in den diversen Internetforen für Lehrer reinschaue, entdecke ich dort bislang noch wenige Ideen, wie Tests aussehen könnten, die ein umfassenderes Bild von der „Rechtschreibkompetenz” eines Kindes aufzeigen.
Vor zwei Wochen habe ich einen Rechtschreibtest in meiner Klasse schreiben lassen. Er war für alle Kinder gleich (gruppenbezogener Test, vgl. Grundschulordnung RP) und sah folgendermaßen aus:
- Lückentext mit geübten Wörtern: Die Kinder bekamen eine Woche vorher 18 Wörter, die sie mit Hilfe des Karteisystems und/oder anderen gemeinsam besprochenen Möglichkeiten üben konnten. Am Prüfungstag las ich einen Text vor, der diese 18 Wörter enthielt. Die Kinder schrieben die diktierten Wörter in die Lücken.
- Ungeübtes Diktat: Ich las den Kindern einen unbekannten Text vor. Am Ende unterstrichen sie die Wörter, die sie nachschlagen wollten. Danach hatten sie 10 Minuten Zeit, um die Wörter mit dem Wörterbuch zu prüfen.
- Regeln erklären: Den Kindern diktierte ich zunächst vier einfache Wörter. Danach bat ich sie darum, immer jeweils einen Buchstaben zu unterstreichen, der sie auf das zu erklärende Rechtschreibphänomen hinwies. Dabei konzentrierte ich mich auf drei zentrale Regeln: a) die Nomenprobe mit der/die/das UND ein/eine, b) die Worterverlängerung (d/t, b/p) und c) das Stammprinzip (Äste mit A, weil es von Ast abstammt).
- Freier Text: Die Kinder hatten Gelegenheit, einen eigenen Text zu schreiben und bei Bedarf mit dem Wörterbuch zu überprüfen. Bei der Auswertung habe ich hier ausschließlich die Rechtschreibfehler berücksichtigt, vorerst noch ohne die Zeichen bei der wörtlichen Rede. Es ging nicht um den Inhalt eines Textes, wie in einem Aufsatz, sondern NUR um die Rechtschreibung.
Ich denke mit einem solchen Test gelingt es im Sinne der Bildungsstandards eher, ein umfassenderes Bild von der derzeitigen Rechtschreibleistung eines Kindes abzubilden. Übrigens, in einem weiteren Rechtschreibtest würde ich wieder einen Fehlertext hinzunehmen, bei dem die Kinder die von mir eingefügten Rechtschreibfehler unterstreichen.
Eine Schlussbemerkung: Immer wieder bin ich überrascht darüber, wenn ich im Gespräch mit LehrerInnen und auch in diversen Lehrerforen das Wehklagen darüber höre, wie gut doch regelmäßig die geschriebenen „klassischen Diktate” ausfallen würden und wie schlecht die Rechtschreibung in eigenen Texten sei. Mir fehlen oft von den Beteiligten die Konsequenzen, die sie aus dieser Diskrepanz für sich ziehen. Aber machen wir uns ja nichts vor: Klassische Diktate sind eine wunderbare Sache für uns Lehrer! Schnell geschrieben, superschnell ausgewertet, voilà, eine Rechtschreibnote in wenigen Minuten „erzeugt”. Und das Beste dabei: Viele Eltern hinterfragen die Aussagekraft einer solchen Note nicht. Was will man als Lehrer mehr? 😉