Warum wird Mathematik hierarchisch unterrichtet?
Ein Artikel in durchgehend provokant-ironischen(!!!) Untertönen, vergleichbar mit dem Buch von Paul Watzlawick „Anleitung zum Unglücklichsein”:
Bevor Kinder auf Entdeckungsreise gehen können, müssen(!) sie erst einmal bestimmte Grundfertigkeiten erlernen. Dass sich Grundfertigkeiten an den Aufgaben und Themen herausbilden, die ein Kind bewegen, ist blanker Unfug. Welchen Sinn macht es, dass Mathematik auch in Schulen systematisch und wohl strukturiert unterrichtet wird?
- …weil man das Interesse der Schüler an Mathematik nicht wecken möchte. Sie sollen sich ja gerade nicht motiviert mit Mathe beschäftigen. Sie sollen stattdessen viel Zeit damit verbringen, Fertigkeiten zu trainieren, die sie in höheren Klassen einmal brauchen werden. Jedes Kind versteht, dass es heute etwas lernen muss, das es später einmal brauchen wird. Deswegen ist es wichtig, dass Kinder Grundtechniken so schnell wie möglich erlernen. Diese Grundtechniken sind wichtiger, als Kinder mit mathematischen Problem und Fragen zu belasten. Ohnehin ist ja auch jedes Problem anders, so viele Probleme kann ein Lehrer gar nicht behandeln. Die schriftliche Multiplikation funktioniert dafür immer gleich. Wenn es diese Grundtechnik beherrscht, kann das Kind sie auch jederzeit auf ein Alltagsproblem übertragen. Das Kind weiß dann sofort „ah ja, hier muss ich jetzt schriftlich multiplizieren, um zur Lösung zu kommen”. Außerdem es ist viel zu zeitraubend, Kinder mit mathematischen Problemen zu belasten und abzuwarten, bis sie sich damit von sich aus beschäftigen. Das machen sie ja doch nicht!
- …weil man nicht will, dass Kinder an mathematischen Themen arbeiten, die sie interessieren könnten. Man hat herausgefunden, dass einige Schüler aus der Sekundarstufe I sich für Analysis interessiert haben, was aber frühestens erst in der Sek II vorkommen darf. Schüler müssen lernen, ihr Interesse zurückzustecken. Später werden sie auch nicht das machen dürfen, woran sie interessiert sind. Das Leben ist kein Wunschkonzert!
- …weil man will, dass Kinder Angst vor Mathematik bekommen. Denn so sehen die Kinder und die Eltern sofort, wenn sie „im Stoff hinterher hängen”. Und das ist wichtig, damit das Kind diesen Stoff erfolgreich nacharbeitet. Unter Druck lernt schließlich auch der Dümmste am besten! Das wissen wir doch alle! Dabei ist es vollkommen egal, ob das Kind schon für einen bestimmten Unterrichtsinhalt geistig reif ist oder nicht. Üben bis der Groschen fällt, das muss das Credo von Schule werden. Und wenn ein Kind davon frustriert werden sollte, dann wissen wir Lehrer wenigstens, dass es fürs Gymnasium nicht geeignet ist.
- …weil man nicht will, dass Kinder fachübergreifend denken lernen. Mathe ist ja schließlich ein Unterrichtsfach und keine Disziplin! Je besser die Kinder lernen, eine Rechentechnik perfekt zu beherrschen, desto besser ist es für sie. So werden sie optimal auf jeden Lehrer vorbereitet. Denn gerechnet wird in Mathe ja immer gleich. Außerdem gibt es auch für Lehrer nichts Leichteres, als ein paar Rechenaufgaben bearbeiten zu lassen und daraus eine Mathe-Note abzuleiten! Die Kinder lernen Mathe schließlich für die Lehrer, damit die Lehrer schnell erkennen können, wer später aufs Gymnasium gehört und wer auf die Restschulen geht. Darauf müssen sich alle früh genug einstellen!
- …weil man nicht will, dass Kinder wirklich lernen, was Mathematik ist. Sie müssten dann feststellen, wie banal die Schulmathematik eigentlich ist und das ist nicht sinnvoll, wenn wir erkennen wollen, wer auf das Gymnasium gehen soll und wer nicht (siehe Punkt 4). Mathematik heißt: Springe höher und laufe schneller. Die Zahlen werden also immer größer und man muss sie in immer kürzerer Zeit bewältigen. Das sind die Maßstäbe, an denen wir Lehrer uns zum Zwecke der gerechten Auslese orientieren müssen!
- …weil Kinder nicht erkennen dürfen, dass man in guter Mathematik sehr häufig mehr Zeit mit der Kommunikation mit anderen Menschen verbringt, als mit Zahlen. Denn auch das würde die Auslese für uns Lehrer nur unnötig komplexer machen. Es heißt ja nicht umsonst: Nur ein volles Rechenheft ist ein gutes Rechenheft!
Dieser Artikel wurde inspiriert durch die Präsentation: Mathematik ist nicht linear!