Das zentrale Anliegen in der sog. Hattie-Studie ist es, dass wir das Lernen sichtbar machen. Lernen sichtbar zu machen, bedeutet, dass wir uns
- auf die individuellen Lernfortschritte der Kinder fokussieren [siehe auch Anmerkung unten] und
- diese Fortschritte belastbar(!) nachweisen können.
Hattie geht es darum, dass sich Lehrer am Dreisatz „Diagnose – Intervention – Kontrolle” orientieren und damit ihr Handeln auf seine Wirksamkeit hin prüfen. Das erinnert mich an eine Arbeitsweise, wie sie in der Pharmazie-Entwicklung selbstverständlich ist.
Wie könnte das im Hinblick auf die doch sehr vielen Klassenarbeiten aussehen? Seit einigen Jahren lasse ich angeregt durch die Doktorarbeit von F. Peschel sogenannte Überforderungstests in Arithmetik schreiben. Hierbei handelt es sich um ein und denselben Test, der über die 4 Grundschuljahre hinweg nahezu unverändert geschrieben wird. Für die Rechtschreibung habe ich mit einer Kollegin ebenfalls einen Überforderungstest entworfen. Das Wesen eines Überforderungstests ist, dass darin sämtliche Schwierigkeitsstufen von Klasse 1–4 enthalten sind. Erst- und Zweitklässler werden einen solchen Test in den seltensten Fällen vollständig lösen können.
Überforderungstests bedeuten für Lehrende nicht mehr Arbeit, sondern letztendlich weniger – sofern sie denn gut konzipiert sind. Denn Lehrende müssen nun nicht mehr ständig neue Klassenarbeiten entwerfen. Dazu ist es natürlich nötig, dass man sich bewusst wird, was das Wesentliche des Unterrichtsfaches oder zumindest eines zu überprüfenden Teilbereichs ist. Einmal gut konzipiert könnten die Lehrenden einen Überforderungstest zu festen Zeitpunkten wiederholt schreiben lassen. Eventuell werden die Zahlenwerte in Arithmetik oder die Wörter für einen Rechtschreibtest ausgetauscht, damit sich der Test über die Jahre hinweg nicht abnutzt.
Weitere Informationen von Prof. Zierer und Prof. Beywl im Interview: „Visible Learning for Teachers” – Ein Navi für die Lehrkräfte
Tipp: Unterrichtsdiagnostik der Uni Koblenz-Landau
Anmerkung zu 1. oben: Dieser Blick auf die individuelle Entwicklung seit laut Beywl, einem der Übersetzer der Hattie-Studie ins Deutsch, DAS eigentlich Revolutionäre. Es ginge nicht mehr primär darum, dass verordnete Anforderungen erreicht würden, sondern darum, dass jedes Kind in seiner „proximalen Zone” (Wygotski) lerne.