In der sog. Hattie-Studie kristallisierte sich in 138 untersuchten Faktoren die direkte Instruktion (direct instruction) als ein Faktor für lernwirksamen Unterricht heraus. In deutschen Medien und bedauernswerterweise auch in pädagogischen Kreisen wurde das vorschnell mit der Unterrichtsmethode „Frontalunterricht” übersetzt. Frontalunterricht und direkte Instruktion sind aber nicht das Gleiche!
Too often, what the critics mean by direct instruction is didactic teacher-led talking from the front: this should not be confused with the very successful “Direct Instruction” method as first outline by Adams and Engelmann (1996). (Hattie)
Hattie kritisiert, dass seine Studie dazu genutzt wurde, um über Unterrichtsmethoden zu diskutieren und darüber, welche Unterrichtsmethode besser sei. Die 138 Faktoren in seiner Untersuchung stünden aber in einer Wechselwirkung zueinander. Es reiche also nicht aus, einfach an einer Schraube zu drehen, damit Unterricht besser werde! Hattie vermisst in den Lehrerzimmern einen kollegialen Austausch über die Wirkungen des eigenen Lehrerhandelns. Dies gelänge u.a. durch Reflexion und Supervision (Hospitation). Sein Anliegen ist also: „Teachers, know your impact!”
Damit sich Lehrer im Unterricht aber mehr selbst betrachten, erfordert es, dass sie über sog. Mindframes (Haltungen, Einstellungen) verfügen (siehe Was sind Mindframes?). Sie äußern sich unter anderem darin, dass man sich zur Aufgabe mache, das Lernen mit den Augen von Schülern sehen zu wollen und sich frag: Was wirkt beim Schüler am besten?
Direkte Instruktion beschreibt ein 7‑stufiges Unterrichtsvorgehen:
- Der Lehrer bestimmt das Lernziel (learning intentions)
- Der Lehrer ist sich der Erfolgskriterien (success criteria) bewusst und macht sie den Schülern transparent.
- Es ist nötig, dass die Schüler engagiert (engagement) arbeiten und sich der Aufgabe verpflichtet (commitment) fühlen.
- Es folgt ein dreistufiger Ablauf: a) Input: Der Lehrer stellt den Schülern alles Notwendige bereit, um die Aufgabe erfüllen zu können (Inhalte, Medien etc.). b) Modelllernen: Der Lehrer zeigt den Schüler, wie ein gutes Ergebnis aussieht. c) Der Lehrer prüft, ob die Schüler alles verstanden haben (doing it right). Falls dem nicht so ist, muss er darauf noch einmal eingehen.
- Der Lehrer lernt gemeinsam mit den Schülern (guided practice), hilft, erklärt, korrigiert.
- Das Ende (closure) ist gekennzeichnet durch eine abschließende Präsentation durch Lehrer (z.B. „Worum ging es heute?”) und Schüler (z.B. „Was habe ich gelernt?”, „Welchen Sinn macht das?”).
- Im Weiteren setzt sich eine Übungsphase an (independent practive). Dies soll aber erst geschehen, wenn die Schüler den Inhalt oder die Fertigkeit tatsächlich verstanden haben („Once students have mastered the content or skill”). Die Übung sollte so gestaltet sein, dass das Gelernte auf neue Sachverhalte angewendet wird.
Die direkte Instruktion ist also geprägt durch eine Klarheit auf Seiten des Lehrers im Hinblick auf die Ziele, Medien, Inhalte und Methoden. Und diese Klarheit muss auch auf Seiten der Schüler herrschen. Ein Teil der direkten Instruktion kann frontal erfolgen. Es bietet sich hier vor allem Punkt 4.a, der Input, an.
Zusammengefasst heißt das:
The teacher decides the learning intentions and success criteria, makes them transparent to the students, demonstrates them by modeling, evaluations if they understand what they have been told by checking for understanding, and re-telling them what they have told by tying it all together with closure (Hattie).
Wer an weiteren Informationen interessiert, findet einen Überblick von Grell auch bei Schulleben und Unterricht demokratisch gestalten.
Eine Frage stellte sich mir dann aber doch:
Funktioniert die direkte Instruktion in leistungsheterogenen Gruppen (Klassen)?
Vor allem in der Grundschule wissen die Kolleginnen und Kollegen, wie groß hier die Spannbreiten sein können. Die meisten werden bestätigen können, dass sich in jeder Klasse Kinder aus wenigstens zwei eher drei Klassenstufen befinden. Hier half mir nun ein englischsprachiger Text weiter. Es heißt dort bei den Merkmalen der direkten Instruktion:
- Ability grouping (Leistungsgruppen). Students are grouped and re-grouped based on their rate of progress through the program.
- Frequent assessment. Curriculum-based assessments help place students in ability groups and identify students who require additional intervention.
Quelle: Direct Instruction
Direkte Instruktion ist also dadurch geprägt, dass Leistungsgruppen gebildet werden. Die regelmäßigen Diagnosen des Lehrers sind notwendig, um herauszufinden, welche Schüler zusätzliche Unterstützung benötigen.
In diesem Text von Hattie wird am Schluss darauf eingegangen, bei welchen Inhalten und welchen Schülergruppen die direkte Instruktion besonders erfolgreich ist. Hier zeigen sich insgesamt über alle Gruppen ähnliche Effekte. Besonders profitieren davon aber Schüler mit Lernbehinderungen. Ferner scheint es wirksamer bei Inhalten zu sein, die durch regelmäßiges Üben und Wiederholen gelernt werden können (z.B. Lesen), als bei solchen, die höhere Anforderungen an die Intelligenz der Schüler stellen (z.B. Mathematik, Kreativität, Transferdenken).
Direkte Instruktion ist kein Allheilmittel! Wie Hattie bereits sagte, ginge es immer darum zu hinterfragen, was beim einzelnen Schüler wirke und was nicht. Ich werde demnächst in meiner Klasse versuchen, ausgewählte Lerninhalte auf diese Weise neu einzuführen. Damit gehe ich mit Ryder et al. [1] konform, die dafür eintreten, dass die direkte Instruktion nicht die dominierende Unterrichtsform sein dürfe. Dies bestätigt aus genannten Gründen auch Hattie: „…having a variety of teaching methods is much more succesful than having one.”
[1] Ryder, Randall J., Jennifer L. Burton, Anna Silberg. 2006. Longitudinal study of direct instruction effects from first through third grade. Journal of Educational Research, 99, 3, 179–191.