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„Fela” kor­ri­gie­ren

Die­sen Text habe ich als Eltern­brief in „mei­ner” Klas­se 1 aus­ge­teilt. Es han­delt sich nicht um den ori­gi­na­len Text, da ich die­sen hier bereits mit wei­ter­füh­ren­den Infor­ma­tio­nen ergänzt habe. Im All­ge­mei­nen habe ich aber im Brief ver­sucht, eini­ge Aspek­te etwas zu ver­ein­fa­chen bzw. ver­kürzt und hand­hab­ba­rer für alle Eltern dar­zu­stel­len. Wesent­li­che Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum The­ma haben mir vor allem die aktu­el­len Bücher „Der ortho­gra­phi­sche Feh­ler” und „ABC und ande­re Irr­tü­mer über Ortho­gra­phie, Recht­schrei­ben, LRS/Legasthenie” aus den Jah­ren 2012 und 2013, sowie das Heft „Rich­tig schrei­ben ler­nen mit dem Auf­bau­kon­zept” gelie­fert. Geschrie­ben wur­den sie vom Recht­schreib­for­scher an der Uni Frank­furt Prof. Dr. Tho­mé, dem ich für sei­ne posi­ti­ve Rück­mel­dung zu die­sem Eltern­brief sehr dan­ke. Mein Dank geht auch an sei­ne Ehe­frau D. Tho­mé vom Insti­tut für sprach­li­che Bil­dung Olden­burg.

Sehr geehr­te Eltern,

die Recht­schreib­ent­wick­lung lässt sich grob in drei Pha­sen gliedern:

  1. die vor­al­pha­be­ti­sche Phase
  2. die alpha­be­ti­sche und
  3. die ortho­gra­phi­sche Pha­se (etwa Klas­se 3 / 4 bei guten Schreibern).

Die Pha­sen bau­en auf­ein­an­der auf. Ihre Über­gän­ge sind flie­ßend. Es ist durch „über­mä­ßi­ges Üben“ nicht mög­lich, eine Pha­se zu „über­sprin­gen“. In den geschrie­be­nen Tex­ten von Kin­dern tre­ten in der Regel die Pha­sen 1) und 2) sowie 2) und 3) gemein­sam auf.

Wich­tig: In jeder Pha­se machen Kin­der typi­sche Feh­ler!

Las­sen Sie mich an einem Bei­spiel mit typi­schen Feh­lern die Qua­li­tät von Feh­lern etwas erklären:

Wie bewer­ten Sie die Recht­schrei­bung eines Erst­kläss­lers in die­sem Satz?

„der pin­gu­in sa ein Schif“

Ortho­gra­phisch kor­rekt müss­te es heißen:

„Der Pin­gu­in sah ein Schiff.“

Man erkennt: 1. Zu jedem gehör­ten Laut hat das Kind den pas­sen­den Buch­sta­ben zuge­ord­net! (Selbst „dea“ wäre hier vor­erst tole­rier­bar.) Das bedeu­tet: Für die vor­al­pha­be­ti­sche Pha­se macht das Kind alles rich­tig! (Hin­weis: Dass es ins­ge­samt noch kom­pli­zier­ter ist, weil nicht zu jedem Buch­sta­ben genau ein Laut im Deut­schen zuge­ord­net ist, weil Lau­te in ver­schie­de­nen Häu­fig­kei­ten(!) vor­kom­men und unter­schied­lich dif­fe­ren­ziert wer­den kön­nen, weil es mehr als nur 5 Voka­le gibt, weil man Basis- und Ortho­gra­phe­me unter­schei­den kann etc., dazu wer­de ich noch spä­ter hier etwas schrei­ben.) 2. Man erkennt auch, dass das Kind schon mehr kann, da es „Schif“ groß geschrie­ben hat und zwi­schen jedem Wort eine Lücke lässt.

Wie bewer­ten Sie nun die­sen Satz?

„der pinu­in sa ain schf“

Hier erken­nen Sie zwei ver­schie­de­ne und typi­sche Feh­ler­ty­pen für die­se Phase:

  • Typ 1: aus­ge­las­se­ne Buch­sta­ben (pinu­in) (schf)
  • Typ 2: fal­sche Laut-Buch­sta­ben-Zuord­nung (ain anstel­le von ein)

Hier gehe ich bei Typ 1 indi­vi­du­ell ver­schie­den, aber im Kern fol­gen­der­ma­ßen vor:

  1. Die Lau­te im Wort wer­den schritt­wei­se von Anfang oder gezielt an der Feh­ler­stel­le her­aus­ge­ar­bei­tet (Was hörst du nach „sch”?) Man­chen Kin­dern fällt das sehr schwer.
  2. Das Wort wird geschwun­gen / geklatscht, vom Kind die Sil­ben­bö­gen mar­kiert und jeder Vokal unter­stri­chen (also: Pin-gu-in, jede Sil­be ent­hält immer einen Vokal!) Den Vokal las­se ich dabei sehr dif­fe­ren­ziert her­aus­hö­ren! (Ein­fa­ches Bei­spiel: „lesen” – das ers­te „e” klingt wie bei „E„sel und das zwei­te wie bei „E„nte und die­ses wird wie ein „e” geschrie­ben! (Vokal­dif­fe­ren­zie­rung)).

Macht es Sinn in die­ser frü­her Pha­se, oben das Wort „sa“ zu kor­ri­gie­ren und dem Kind „sah“ zu zeigen?

Kurz und klar: Nein! Kor­ri­gie­ren müss­te man jedes falsch geschrie­be­ne Wort in der vor­al­pha­be­ti­schen Pha­se nur dann, wenn man davon aus­gin­ge, dass der Erwerb der Recht­schrei­bung ein rei­nes Abspei­chern von Wör­tern wäre. Dem ist aber nicht so. In unse­rem Bei­spiel kann man das ‑h bei „sah“ nicht hören! Bei „-ah” han­delt es sich um ein sog. Ortho­gra­phem. Es wäre zu die­sem Zeit­punkt des Recht­schrei­ber­werbs ver­früht, es zu kor­ri­gie­ren. Ver­ein­facht könn­te man für die vor­al­pha­be­ti­sche Pha­se sagen: Alles, was man nicht hören kann, wird nicht kor­ri­giert. (Bei­spie­le: sakt statt sagt (das „g“ ist nicht hör­bar), Fogel statt Vogel, heis statt heiß,…)

Noch genau­er müss­te es heißen:

Kor­ri­giert wer­den Feh­ler, die für die­se Pha­se typisch sind und vom Kind durch die Kor­rek­tur (und ggfs. mit etwas Hil­fe) bewäl­tigt wer­den kön­nen! Kin­der wer­den opti­mal geför­dert, wenn man ihnen zu jeder Recht­schreib­pha­se „die rich­ti­gen Inhal­te zur rech­ten Zeit” präsentiert.

Der Recht­schrei­b­er­werb basiert auf – man sagt dazu – „impli­zi­ter Regel­bil­dung“. Lei­der ist es ein tief sit­zen­der Irr­tum, dass man Recht­schrei­bung dadurch erler­nen wür­de, indem man Regeln der Leh­rer aus­wen­dig lernt und dann anwen­det. Eben­so wenig erlernt man rich­tig zu schrei­ben, indem man alle Wör­ter wie ein Lexi­kon aus­wen­dig lernt. (vgl. ABC und ande­re Irr­tü­mer über Ortho­gra­phie, Recht­schrei­ben, LRS/Legasthenie)

Kin­der in Klas­se 1 befin­den sich in der Regel über­wie­gend in der vor­al­pha­be­ti­schen Pha­se. Zu die­sem Zeit­punkt erler­nen sie, dass Lau­te und Buch­sta­ben zuein­an­der gehö­ren (Laut-Buch­sta­ben-Zuord­nung) (Auch hier ist es in Wahr­heit noch etwas kom­pli­zier­ter: Wuss­ten Sie zum Bei­spiel, dass zu dem Buch­sta­ben „e” meh­re­re e‑Laute gehö­ren? E wie bei Esel, das „E” wie am Anfang des Wor­tes „Ende” klingt anders als das „e” am Ende des Wor­tes. (Stich­wort: Vokal­dif­fe­ren­zie­rung)).

Kin­der, die durch Schreib­erfah­run­gen die Laut-Buch­sta­ben-Zuord­nung ler­nen, ist die Schreib­wei­se „Fela” für „Feh­ler” ein enor­mer Fort­schritt. Es macht zu die­sem Zeit­punkt noch kei­nen Sinn, die­sen Schreib­feh­ler zu kor­ri­gie­ren und die rich­ti­ge Schreib­wei­se („Feh­ler”) zu üben. Das wird zu die­sem Zeit­punkt auf wenig frucht­ba­ren Boden fal­len. Es sei denn, das Kind fragt danach. Fra­gen des Kin­des haben natür­lich immer Vor­rang! Erst wenn ein Kind die Laut-Buch­sta­ben-Zuord­nung ver­in­ner­licht hat, kann man all­mäh­lich den Fokus auf die ande­ren Feh­ler legen. Soll­ten Sie in der vor­al­pha­be­ti­schen Pha­se Ihrem Kind Recht­schreib­übun­gen „auf­er­le­gen”, kann das auf allen Sei­ten zu Ärger, Frust und viel­leicht zu einer belas­te­ten Eltern-Kind-Bezie­hung füh­ren, wie mir aus einem Eltern­haus zuge­tra­gen wurde.

Was kön­nen Sie tun?

  • Alles ist rich­tig, was im Kind das Bedürf­nis wach­sen lässt, schrei­ben zu wol­len. Und die­ses Bedürf­nis wächst, je tie­fer das Kind in die Schrift­spra­che ein­dringt! Schrei­ben Sie zum Bei­spiel Wör­ter und beschrif­ten sie die pas­sen­den Möbel / Lebens­mit­tel, schrei­ben Sie einen Gruß an Oma/Opa, einen klei­nen Brief an das Kind / einen lie­ben Gruß für die Früh­stücks­do­se Ihres Kin­des etc. För­dern Sie das Kind dar­in, mit ande­ren Men­schen schrift­lich in Kon­takt zu treten.
  • Wenn Sie Feh­ler kor­ri­gie­ren, dann nur sol­che, die das Kind jetzt auch hören kann. Erin­nern Sie sich, dass Feh­ler ver­schie­de­ne Qua­li­tä­ten haben! Machen Sie regel­mä­ßig die bei den Eltern­tref­fen vor­ge­stell­ten „Übun­gen zur pho­no­lo­gi­schen Bewusstheit”.
  • Ver­bes­sern Sie in der vor­al­pha­be­ti­schen (und alpha­be­ti­schen) Pha­se nicht alle Feh­ler! Das kann sehr leicht über­for­dern und ist wenig hilf­reich, weil sich in jedem Text immer ein bun­ter Strauß an Feh­ler­ty­pen befin­det. Beden­ken Sie: Recht­schreib­ler­nen basiert auf soge­nann­ter „impli­zi­ter Regel­bil­dung“ und nicht auf dem Aus­wen­dig­ler­nen von Wör­tern. (Das ist nur ein Teilbereich.)
  • Neh­men Sie aus einem Text eini­ge geschrie­be­ne Wör­ter (nicht alle, wenn es noch vie­le sind, viel­leicht 3–6 Feh­ler) her­aus, d.h. zei­gen Sie sie dem Kind. Kon­zen­trie­ren Sie sich dabei auf einen Feh­ler­typ! Im obi­gen Bei­spiel habe ich Ihnen zwei typi­sche Feh­ler gezeigt: Typ 1) aus­ge­las­se­ne Buch­sta­ben und Typ 2) fal­sche Zuord­nung. Bei der fal­schen Zuord­nung von Laut-Buch­sta­be („ain“ statt „ein“) bit­te ich das Kind dar­um, mir in der Schreib­ta­bel­le zu zei­gen, wo es den Laut „ai“ fin­det. Natür­lich steht er nir­gend­wo, son­dern nur „ei“ bei Eis. Ähn­li­ches gilt für „scht­ein“. Hier wei­se ich das Kind auf den Laut „st“ hin ‚der in der Schreib­ta­bel­le bei „Stein“ steht. Wenn das Kind die­se Zuord­nung erkannt hat, kann das Kind ver­su­chen, ein paar ande­re Wör­ter zu schrei­ben, die mit „ei“ anfangen.

Übun­gen für Kin­der, die sich über­wie­gend in der alpha­be­ti­schen und ortho­gra­phi­schen Pha­se befin­den, stel­le ich zu einem spä­te­ren Zeit­punkt vor. Hier­zu wäre es nötig, grund­le­gen­des Wis­sen zu Basis- und Ortho­gra­phe­men zu besit­zen! Auch das geden­ke ich zu einem spä­te­ren Zeit­punkt hier noch zu erläu­tern (sie­he aber auch die Doku­men­te am Ende die­ses Artikels)

Der Erwerb einer guten Recht­schrei­bung gelingt beson­ders gut, wenn Kin­der gelernt haben, Lau­te genau zu unter­schei­den und rich­tig zuzu­ord­nen. Des­we­gen waren und sind Übun­gen zur pho­no­lo­gi­schen Bewusst­heit (Laut­übun­gen) sehr wich­tig! Auch wenn wir in der Schu­le immer wie­der dar­an arbei­ten und üben, reicht das nicht immer aus! Laut­übun­gen sind also nach wie vor die rich­ti­gen Recht­schreib­übun­gen und die Basis für die Recht­schrei­bung. Sie soll­ten auch zu Hau­se regel­mä­ßig geübt wer­den. Ohne eine gute Grund­la­ge hier­bei wird das Kind nur sehr schwer zu einer guten Recht­schrei­bung finden.

Zum Schluss nen­ne ich Ihnen eini­ge Feh­ler­ty­pen, auf die Sie vor allem in der vor­al­pha­be­ti­schen Pha­se geziel­ter Ihren Blick wer­fen könnten:

  • aus­ge­las­se­ne Buch­sta­ben im Wort (Laut­schu­lung!) (WICHTIG)
  • hin­zu­ge­füg­te Buch­sta­ben im Wort (Laut­schu­lung!) (WICHTIG)
  • Feh­ler wie z.B. pigu­in, pegu­in, pin­gu­in, wenn also ein Wort in einem Text mehr­fach geschrie­ben wur­de, aber immer wie­der anders (Laut­schu­lung)
  • fal­sche Zuord­nung von Lau­ten und Buch­sta­ben (Schreib­ta­bel­le) (WICHTIG)
  • Groß­schrei­bung von Nomen (MANCHMAL)
  • Klein­schrei­bung von Adjek­ti­ven oder Ver­ben etc.
  • aus­ge­las­se­ne oder hin­zu­ge­füg­te Wör­ter im Satz

Picken Sie, wie oben schon gesagt, 3–6 fal­sche Wör­ter eines Feh­ler­typs her­aus. Schrei­ben Sie zu den fal­schen Wör­tern die rich­ti­ge Schreib­wei­se dane­ben (Erwach­se­nen­schrift). Bei Wör­tern mit aus­ge­las­se­nen oder hin­zu­ge­füg­ten Buch­sta­ben gehen Sie das Wort durch (Was hörst du am Anfang? Was kommt danach? etc.) Sehr viel anspruchs­vol­ler ist es, die fal­schen Wör­ter nur noch zu mar­kie­ren und das Kind zu fra­gen, was alle Feh­ler gemein­sam haben bzw. was bei sei­ner „Kin­der­schrift” anders ist als bei der „Erwach­se­nen­schrift”. Gelingt es dem Kind viel­leicht schon zu erklä­ren, war­um das so sein könn­te / wel­che Regel sich dahin­ter ver­birgt? Zum Bei­spiel: „Die­se Wör­ter (Hund, Kat­ze, Maus) hät­te ich groß schrei­ben müs­sen, weil man sie alle anfas­sen kann oder weil es Tie­re sind.” (Nomen) Der nächs­te Schritt wäre dann, dass das Kind sich wei­te­re Wör­ter aus­denkt, die zu sei­ner Regel pas­sen und beim Auf­schrei­ben der wei­te­ren Wör­ter vor allem auf die­se eine Regel achtet.

Es geht also immer wie­der dar­um, die impli­zi­te Regel­bil­dung beim Recht­schrei­b­er­werb zu „füt­tern”. Eine sol­che Vor­ge­hens­wei­se ist aber für alle auf­wän­di­ger und anstren­gen­der als das übli­che: „Schreib das noch mal neu!”, das dann meist noch ohne Sinn und Ver­stand erfolgt.

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