Was bewerten wir da eigentlich?

Die typi­schen Klas­sen­ar­bei­ten, die ich zu Gesicht bekom­me, ent­hal­ten viel­fach Rechen­päck­chen zum Bei­spiel in der Form:

Auf­ga­be 1) Rech­ne aus!
452 + 154 =
813 – 551 =
288 + 623 =
735 – 372 =
598 + 283 =
334 – 189 =

Auf­ga­be 2) Fin­de die Zahl in der Mitte!
592 + ___ = 833
328 + ___ = 449
721 + ___ = 874
183 + ___ = 592
245 + ___ = 613

usw.

Wenn wir der­art struk­tu­rier­te Auf­ga­ben in Klas­sen­ar­bei­ten beno­ten, was mes­sen wir da eigent­lich? Anders gefragt: Ist das, was da gemes­sen wird, das, was gemes­sen wer­den soll? Klas­sen­ar­bei­ten, die zeit­be­grenzt sind und vie­le typen­glei­che Auf­ga­ben ent­hal­ten, mes­sen zwangs­läu­fig, was man als Prüf­ling unter Zeit­druck kann bzw. wie man letzt­end­lich mit Stress umge­hen kann. Nun geht es nicht dar­um, den Stress völ­lig aus Test­si­tua­tio­nen her­aus­zu­neh­men, ABER man soll­te sich schon bewusst sein, dass eine Aus­sa­ge dar­über, ob ein Kind bestimm­te Auf­ga­ben beherrscht, unter die­sen Bedin­gun­gen nicht hin­rei­chend über­prüf­bar ist.

Es ist also die Fra­ge: Möch­te ich mes­sen, was ein Kind KANN oder möch­te ich mes­sen, was es unter Zeit­druck kann? Wenn ich mes­sen möch­te, was es KANN, stellt sich die Fra­ge, wie viel und wel­che Auf­ga­ben ich benö­ti­ge, um es her­aus­zu­fin­den? Wei­te­re Gedan­ken habe ich hier­zu auch im Arti­kel Den Über­blick behal­ten (Teil 1) verfasst.

Vor allem in der Grund­schu­le soll­ten wir doch zumin­dest am Anfang dar­auf ach­ten und Tests so gestal­ten, dass sie uns immer auch einen för­der­dia­gnos­ti­schen Mehr­wert liefern.

Anek­do­te: In einer der letz­ten Lehr­ver­an­stal­tun­gen kam eine Stu­den­tin ganz erfreut zu mir und sag­te sinn­ge­mäß, dass sie nun end­lich wis­se sie, dass die schrift­li­chen Prü­fun­gen nie das mes­sen, was sie eigent­lich kön­ne. Sie bräuch­te ein­fach nur ein biss­chen mehr Zeit, um eine 1 zu schrei­ben, die sie aber nicht bekä­me. Denn alle Auf­ga­ben, die sie bis zum Abga­be­zeit­punkt fer­tig habe, sei­en in der Regel immer alle rich­tig. Das ist scha­de für die Stu­den­tin – denn hier lie­ße sich die Fra­ge stel­len, wel­che Fak­to­ren müss­ten geän­dert wer­den, damit eher das gemes­sen wird, was sie kann. In die­sem Fall scheint es ein­fach nur der Fak­tor „Zeit” zu sein. Neben­bei bemerkt fin­de ich es ohne­hin nicht nach­voll­zieh­bar, war­um Prüf­lin­ge außer aus rein prak­ti­schen Grün­den mit einem Test zu einem Zeit­punkt X fer­tig sein sol­len. Die Ergeb­nis­se wer­den dadurch ja nicht „ver­gleich­ba­rer”.

3 Kommentare

  1. Prin­zi­pi­ell gebe ich dir recht, aus eben die­sem Gedan­ken her­aus ist auch in mei­nen Mathe­tests die Anzahl unter­schied­li­cher Auf­ga­ben je Typ sehr gering. Lie­ber suche ich zu jeder Kom­pe­tenz eine pas­sen­de Auf­ga­be, um dann auch dia­gnos­tisch was für mich draus zu zie­hen (z.B. Sub­trak­ti­on im ZR bis 1000: Auf­ga­be mit ohne , mit ohne , mit und mit ). 

    Zeit­druck macht aus mei­ner Sicht dann Sinn, wenn ich wis­sen will, ob das Rech­nen von Auf­ga­ben eines bestimm­ten Typs schon auto­ma­ti­siert ist. Das dann aber bit­te nicht als Prin­zip in einer 45-minü­ti­gen Klas­sen­ar­beit, son­dern mei­net­we­gen als indi­vi­du­el­ler Blitz­re­chen­test, und auch nur für die Kin­der, die vor­her gezeigt haben, dass sie das Prin­zip ver­stan­den haben und dann Zeit genug hat­ten, das Auto­ma­ti­sie­ren zu üben. WENN dies denn über­haupt ein Ziel ist, das die­ses Kind errei­chen soll… 

    Was Klau­sur­auf­ga­ben und Zeit­druck betrifft, so muss man mei­ner Mei­nung nach zwi­schen ver­schie­de­nen Klau­su­ren dif­fe­ren­zie­ren. Wenn eine Stu­die­ren­de des Faches Mathe­ma­tik in der Sach­rech­nen­klau­sur Auf­ga­ben für Viert­kläss­ler, ggf. eine Kno­bel­auf­ga­be für begab­te Viert­kläss­ler, lösen muss, ist es viel­leicht schon sinn­voll, ein Zeit­li­mit zu set­zen, da reicht es mei­ner Mei­nung nach nicht, wenn man dann *irgend­wann* fer­tig ist. Bei Klau­sur­auf­ga­ben, zu denen man umso mehr schrei­ben kann, je mehr man weiß bzw. je mehr Gedan­ken dazu hat, hal­te ich ein Zeit­li­mit aller­dings auch für frag­wür­dig. Da wäre es sinn­vol­ler, die Prüf­lin­ge selbst ent­schei­den zu las­sen, wie vie­le Auf­ga­ben sie in der vor­ge­ge­be­nen Zeit bear­bei­ten wol­len, und nach Niveau der Auf­ga­ben­lö­sung (Repro­duk­ti­on, Trans­fer, (Meta-)Reflexion) unter­schied­lich bewerten.

    1. Zeit­druck macht aus mei­ner Sicht dann Sinn, wenn ich wis­sen will, ob das Rech­nen von Auf­ga­ben eines bestimm­ten Typs schon auto­ma­ti­siert ist. Das dann aber bit­te nicht als Prin­zip in einer 45-minü­ti­gen Klassenarbeit

      Dem schlie­ße ich mich an.

  2. Nach­dem die letz­ten Tage/Wochen sehr zeit­auf­wän­dig waren, nut­ze ich jetzt mal die Gunst des schla­fen­den Soh­nes, um ein paar Gedan­ken zu schreiben:

    1) Rein phy­si­ka­lisch betrach­tet, ist Leis­tung der Quo­ti­ent aus Arbeit und Zeit. Aus die­sem Blick­win­kel betrach­tet, hät­te der Fak­tor Zeit also sei­ne Berech­ti­gung. Spä­ter kom­men noch ein paar Gedan­ken, war­um Zeit viel­leicht doch kei­ne Rol­le spie­len sollte.
    Im aka­de­mi­schen Bereich erach­te ein Zeit­li­mit durch­aus für berech­tigt, da ich es durch­aus für eine wich­ti­ge Kom­pe­tenz hal­te, sich in einem bestimm­ten Zeit­fens­ter auf eine Pro­blem­stel­lung ein­zu­las­sen und eine adäqua­te (aus­rei­chen­de) Lösung der Pro­blem­stel­lung zu fin­den. Dies gehört in der Arbeits­welt mit dazu. Das Zeit­li­mit dürf­te ja auch zu Beginn der Klau­sur bekannt sein.

    2) Bei einer gut gestell­ten Leis­tungs­kon­trol­le soll­te die Zeit kei­ne Rol­le spie­len, auch wenn man nicht alles kann. Sprich: Auch wenn die zur Ver­fü­gung gestell­te Zeit unbe­grenzt ist, wird es Auf­ga­ben geben, die ein Schü­ler X nicht sinn­voll lösen kann. Zu die­ser gut gestell­ten Leis­tungs­kon­trol­le gehört es natür­lich, dass es auch genug Auf­ga­ben gibt, die das Leis­tungs­ver­mö­gen eines Schü­lers zei­gen. In der Spra­che der KMK soll­ten also Auf­ga­ben­stel­lun­gen aus allen drei Anfor­de­rungs­be­rei­chen dabei sein.

    3) Gibt es eigent­lich Stu­di­en zu dem The­ma? Wer­den Leistungsüberprüfungen/Klausuren bes­ser, je län­ger man schrei­ben darf? Mein Gefühl wäre, dass sich die Ergeb­nis­se ab einem bestimm­ten Punkt nicht mehr signi­fi­kant ver­bes­sern. Da Fra­ge ist, wie man die­sen Punkt findet 🙂

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